„Eine Stimme ruft in der Wüste...“

Eine Woche vor Weihnachten lud uns Dekan Gabriel in die Pfarrkirche Gries zu einem besonderen Innehalten im Advent ein. Mit seiner beeindruckenden Fähigkeit, die oft verschlüsselte Bildsprache der Heiligen Schrift zu übersetzen in überraschend leicht verständliche Wendungen und Gedanken, die für uns alle im Alltag unglaublich hilfreich sein können, brachte er uns zwei Bibelstellen näher.

 

Vom Propheten Baruch hörten wir, wie Jesus uns Menschen, unsere Seele, vorfindet: barfuß, in Ketten, im Bußgewand, mit blauen Flecken wie aus langer Gefangenschaft. Und Jesus wird der geschundenen Seele das Gewand, also alle Hüllen und Barrieren, die uns von Ihm trennen, abnehmen, die Seele reinwaschen und die blauen Flecken salben mit Öl, welches sofortige Heilung bewirkt. Dann zieht Er ihr ein neues Gewand an, setzt ihr ein Diadem auf und führt sie an der Hand auf einen Berg, von dem aus sie alles überblicken kann, was sie bis jetzt vollbracht hat. Diese Darstellung ist ein Bild der Eucharistie und all dessen, was sie vollbringen kann, wenn wir uns gänzlich darauf einlassen, wenn wir all unsere Scham ablegen und akzeptieren, dass Jesus in unser Innerstes blicken kann und alles über uns bereits weiß. Er kann uns von unseren Ketten befreien und unsere Wunden heilen, uns einen Perspektivenwechsel anbieten, sodass wir unser Tun und Handeln, unsere Werke aus einem anderen Blickwinkel sehen und gegebenenfalls neu bewerten und in eine andere Richtung lenken können – sofern wir uns nicht, wie so oft, vor Scham verkriechen und uns verzweifelt an unsere selbst auferlegten Ketten klammern.

 

Das Evangelium erzählte uns von Johannes dem Täufer, der letzten Gestalt des Alten Testaments, der auch „Eine Stimme ruft in der Wüste“ genannt wurde und ein Gewand aus Kamelhaar trug. Dieselben Eigenschaften gibt es noch an anderer Stelle in der Bibel, im Buch Genesis: Als Abraham und seine bis dahin als unfruchtbar geltende Frau Sara ihren Sohn Isaak bekamen, schickte Abraham seine Sklavin Hagar und ihren gemeinsamen Sohn Ismael in die Wüste. Als ihre Vorräte zu Ende waren, legte Hagar das Kind unter einen Baum und entfernte sich etwa einen Bogenschuss weit, weil sie das Schreien des Kindes nicht mehr ertragen konnte. Da trat der Engel des Herrn an sie heran und sagte: „Ich hörte, eine Stimme ruft in der Wüste!“, rettete die beiden, die in der Wüste um Hilfe riefen und gab Ismael das Versprechen, dass aus ihm ein großes Volk entstehen und er Bogenschütze sein würde.

 

Warum nun erzählte uns Dekan Gabriel all das? – Weil es möglich ist, dass es unsere Geschichte ist; dass unser Leben einem verzweifelten, mehr oder weniger lautem Rufen nach Hilfe an einem verdorrten Ort gleicht. Und ganz egal, aus welchem Grund wir schreien, welches Kreuz wir sprichwörtlich zu tragen haben; ob es wie bei Ismael ist, der Bogenschütze, im Kamelhaargewand, wurde und alles und jede/n auf Distanz halten musste, weil seine Mutter sich, als er ihre Hilfe benötigte, einen Bogenschuss weit von ihm entfernte und er diese Erfahrung ein Leben lang in sich trug; ob es sich um unerfüllte Sehnsüchte handelt, um Dinge, die unerreicht geblieben oder Dinge, die uns zugestoßen oder angetan worden sind; ganz egal, welcher Art die Ketten sind, die unsere Seele gefangen halten - einer Tatsache können wir uns gewiss sein: Der Engel des Herrn wird an uns herantreten und sagen: „Ich hörte die Stimme, die in der Wüste ruft!“ Unser Rufen wird erhört werden, und dann müssen wir zuhören, was der Engel uns sagt, welches Versprechen er uns gibt. Denn eines Tages – niemand von uns kennt den Zeitpunkt – wird Jesus kommen wie ein Dieb in der Nacht und uns „stehlen“ aus diesen Ketten, die uns besitzen wollen, uns einfach davonstehlen, weil unser wahrer Besitzer in Wirklichkeit nur Er ist. Dann werden wir keinerlei Gewänder mehr brauchen, weder Bußgewänder noch solche aus Kamelhaar, weil Er jegliche innere Kälte beseitigen wird.

 

Musikalisch begleitet wurden diese zutiefst tröstlichen und hoffnungsspendenden Gedanken von passenden Liedern, gesungen und gespielt vom OK-Chörli aus Obernberg: neben zu der Zeit passenden Adventliedern hörte der/die aufmerksame ZuhörerIn „Jerusalem, leg dein Gewand der Trauer ab, denn dein König bringt dir Freudenöl statt Trauergewand“, von einer Stimme und Seele, die den Namen des Herrn ruft und dass der Herr unser Hirte ist, der unser Haupt mit Öl salbt. Dadurch wurden diese schönen Gedanken auch während der Aussetzung und Anbetung noch bekräftigt, konnten weiter nachklingen und zum Nachdenken anregen.

 

Im Anschluss gab es dann wie immer eine Agape, welche diesmal die Pfarre Obernberg im vorweihnachtlich dekorierten Pfarrhaus vorbereiten durfte und bei der man sich auch noch bestens über das Gehörte austauschen und mit den Mitgliedern des OK-Chörli gemeinsam das eine oder andere (Advent-)Lied beim Genießen der Köstlichkeiten singen konnte.

 

Auf diese Art und Weise bereitete Dekan Gabriel uns in diesem Advent wieder eine in allen Facetten ungemein bereichernde Andacht, bei der man einen Hauch der enormen Herrlichkeit erahnen konnte, die unser Glaube für uns bereit hält, wenn wir uns nur gänzlich darauf einlassen. Bei unserem Dekan Gabriel können wir uns einfach nur aus tiefstem Herzen für seine so überaus wertvollen und hilfreichen seelsorglichen Bemühungen bedanken, welche weit über das Gewöhnliche hinausgehen.

 

(Text: Stefanie Strickner, Fotos: Martina Lanthaler, Isabella Annewanter, Stefanie Strickner)

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